Pressemitteilung

Auf dem Weg in die Staatsmedizin?: Untaugliche Reform zur Notfallversorgung vorgelegt

Krankenhauseinweisung

KVN: „.Benötigen mehr eigenverantwortlichen Handlungsspielraum und weniger gesetzliche Vorgaben“

 

Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) hat heute in Hannover den Referentenentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium zur Reform der Notfallversorgung scharf kritisiert. Der KVN-Vorstandsvorsitzende Mark Barjenbruch nannte den Entwurf „einen untauglichen Reform-Vorschlag zum Nachteil der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie der Kassenärztlichen Vereinigungen.“ Grundsätzlich befürworte die KVN eine Neuordnung der Notfall- und Akutversorgung. „Aber nicht in dieser Form!“

 

Planungen zu einem aufsuchenden Bereitschaftsdienst und telemedizinischen Angeboten an sieben Tagen die Woche und 24 Stunden am Tag erteilt Thorsten Schmidt, stellvertretender KVN-Vorstandsvorsitzender, eine klare Absage: „Das wird die reguläre ambulante Basisversorgung durch Ärztinnen und Ärzte ausdünnen und ist personell nicht leistbar. Selbst wenn nichtärztliche Assistenzberufe in die Notfallversorgung eingebunden werden, kann eine parallele Rundumversorgung zum bestehenden ambulanten und stationären System nicht etabliert werden. Dazu fehlen einfach die personellen Ressourcen.“

 

Kritisch sieht die KVN auch die geplante Einrichtung einer Akutstelle, die die bundesweit bekannte Terminservicestelle unter der Rufnummer 116117 der KVen ablösen soll. Geplant ist eine Vernetzung mit den Rettungsleitstellen (Tel. 112). „Eine enge Kooperation des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes mit den Rettungsdiensten im Land ist sinnvoll. Sie darf aber nicht allein auf eine Entlastung der Rettungsdienste und der stationären Strukturen in den Krankenhäusern abzielen und damit zu Lasten der Kassenärztinnen und Kassenärzte gehen“, sagte Schmidt. Eine ausschließliche Steuerung der Bürgerinnen und Bürger über integrierte Leitstellen sei realitätsfremd. „Patienten gehen direkt in die Notfallambulanzen der Krankenhäuser und rufen nicht vorher die Leitstellen an, um sich in eine Versorgungsebene steuern zu lassen“, so Schmidt.

 

An den Notaufnahmen von bestimmten Krankenhäusern sollen Integrierte Notfallzentren (INZ) entstehen, in denen Krankenhauspersonal und die Niedergelassenen verpflichtend gemeinsam die Ersteinschätzung der Patientinnen und Patienten vornehmen. Die fachliche Leitung dieser Ersteinschätzungsstellen soll bei den Krankenhäusern liegen. Zu Sprechstundenzeiten sollen die Praxen an die INZ angebunden werden. Dazu KVN-Vize Schmidt: „INZ sind durchaus sinnvoll, aber das Bundesgesundheitsministerium geht im Gesetzentwurf viel zu weit, in dem sogar die Inhalte von Kooperationsvereinbarungen vorgegeben werden. Daneben soll ein Gesundheitsleitsystem auf Zuruf der Rettungsleitstellen eingerichtet werden. So kann kooperative Zusammenarbeit nicht funktionieren.“

 

Barjenbruchs Fazit: „Der Referentenentwurf versucht bis ins kleinste Detail die Notfallversorgung zu regulieren, bis hin zu Inhalten der Kooperationsvereinbarungen. Das riecht nach Staatsmedizin, die von den KVen administriert werden muss. Die jetzt schon aus- und überlasteten Praxen werden diese zusätzlichen Aufgaben nicht schultern können.“

 

Die KVN habe den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst in den vergangenen Jahren reformiert und gut organisiert. Dabei sei vor allem die Erreichbarkeit für die Patienten verbessert worden. Die KVN habe in oder an über 60 niedersächsischen Kliniken kassenärztliche Bereitschaftsdienstpraxen etabliert. Zudem gebe es seit 2012 für den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst die zentrale Telefonnummer 116117, die die Patienten außerhalb der regulären Sprechzeiten anrufen könnten. Dort würden die Anrufenden durch ein etabliertes Ersteinschätzungsverfahren in die richtige Versorgungsebene delegiert.

 

„Wir brauchen mehr eigenverantwortlichen Handlungsspielraum und weniger gesetzliche Vorgaben“, fordern Barjenbruch und Schmidt.