Digital Health-Kongress
Referentinnen/Referenten und Statements
Moritz Eckert (Hausarzt in Herzberg am Harz)
Nicht jede digitale Neuerung bringt automatisch einen Mehrwert für die Patientenversorgung. Digitalisieren analoger Prozesse und Formulare ist der falsche Weg. Der Weg muss digital komplett neu gedacht werden.
Die Digitalisierung sollte stets im Hinblick auf ihren Nutzen für Patienten und medizinisches Personal bewertet werden. Technologien müssen dazu beitragen, die Versorgungsqualität zu erhöhen, die Kommunikation zu verbessern oder Prozesse zu beschleunigen – andernfalls sind sie nicht sinnvoll, sondern mitunter sogar schädlich.
Es ist daher wichtig, dass bei jeder digitalen Lösung der konkrete Nutzen klar erkennbar ist, Anwender und Entwickler aller Schnittstellen müssen sehr frühzeitig eingebunden werden um Ziele klar formulieren zu können.
Die Umsetzung muss dann erst in kleinem Rahmen praxiserprobt werden, ob vergrößerten Rahmen dann nachgebessert werden, bis es da stabil läuft, und erst dann sollte es für alle verpflichtend werden.
Dr. Florian Fuhrmann (Vorsitzender der Geschäftsführung gematik GmbH)
Die digitale Transformation kann einen wichtigen Beitrag für die Lösung der Herausforderungen in der ambulanten Versorgung leisten. Die hierfür nötigen Schritte müssen wir alle gemeinsam angehen.
Jan Gerlach (Hausarzt aus Scheeßel)
Wir haben zwei Jahre lang ausprobiert, was der Landarzt von heute braucht, um den Sprung in die digitale Welt von morgen optimal zu schaffen. Die Digitalisierung wird den Arzt vor Ort nie ersetzen, aber das will sie auch nicht. Sie wird die Umgebungsvariablen so verbessern, dass wir zum Wohle des Patienten uns endlich wieder auf das konzentrieren können, worum es mir und meinen Kollegen geht: Unsere Patienten weiterhin medizinisch bestmöglich zu versorgen.
Dr. Marc Hanefeld (Allgemeinmediziner aus Bremervörde)
Digitale Transformation muss auf möglichst einfache Art und Weise dabei helfen, unsere Patientinnen und Patienten zu behandeln. Dabei müssen die Abläufe im Gesundheitswesen berücksichtigt werden. Auch dem Mangel an Gesundheitspersonal muss Rechnung getragen werden.
Dr. Sven Jungmann (Arzt, Machine Olfaction Founder-CEO, KI- und Zukunftsforscher)
Wir stehen an einem Wendepunkt in der ambulanten medizinischen Versorgung. Die Gesundheitsversorgung verlagert sich zunehmend dorthin, wo die Menschen leben und arbeiten. Durch die Integration künstlicher Intelligenz in die klinische Entscheidungsfindung können knappe Ressourcen zum richtigen Zeitpunkt auf die richtige Weise eingesetzt werden, um nicht nur den medizinischen Bedarf zu decken, sondern auch die Präferenzen der Patientinnen und Patienten besser zu berücksichtigen. KI optimiert die Datenverarbeitung, so dass Ärztinnen und Ärzte mehr Zeit mit ihren Patientinnen verbringen können. Diese Synergie zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz ermöglicht eine personalisierte Versorgung, die eng mit den Werten und Lebenskontexten der Patientinnen und Patienten abgestimmt ist.
Hannelore König (Präsidentin Verband medizinischer Fachberufe e. V.)
340.000 Medizinische Fachangestellte (MFA) in den Arztpraxen stellen sich seit Jahren den Herausforderungen der Digitalisierung im Praxisalltag und nehmen die Versicherten mit in die digitale Zukunft im Gesundheitswesen. Sie übernehmen als erste Ansprechpartner für die Patientinnen und Patienten in den Arztpraxen eine zentrale Rolle, in dem sie über die digitalen Prozesse informieren und neue digitale Anwendungen erklären.
Wir wollen als MFA die Chancen der Digitalisierung nutzen, aber sie muss funktionieren. Sie sollte Bürokratie abbauen, Prozesse optimieren und uns als Fachkräfte entlasten. Dafür sollten nicht nur Leistungserbringer sondern auch die Gesundheitsberufe, wie wir als MFA, bei der Planung, Entwicklung und Einführung eingebunden werden. Wichtig ist, dass neue Anwendungen ausreichend getestet werden, bevor sie eingeführt werden.
Nicole Löhr (Vorständin Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen)
Auf dem Digital Health Kongress beschäftigen wir uns mit den aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen der digitalen Gesundheitsversorgung. Die KVN bietet eine Plattform zum Austausch von Fachwissen und Erfahrung. Von der elektronischen Patientenakte über Telemedizin bis hin zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) – die Zukunft der Gesundheitsversorgung ist digital.
Dr. Susanne Ozegowski (Abteilungsleiterin für Digitalisierung, Bundesministerium für Gesundheit)
Die digitale Transformation ist entscheidend für noch mehr Qualität in der Versorgung, mehr Patientensicherheit und eine Entlastung der Ärztinnen, Ärzte und vielen anderen Gesundheitsfachkräfte. Ein ganz wichtiger Meilenstein ist hier die elektronische Patientenakte, die ePA für alle: Damit werden ab 2025 endlich schnell alle wichtigen Behandlungsinformationen für einen Patienten verfügbar sein, eine vollständige Übersicht über die Medikation vorliegen und das lästige Suchen nach Unterlagen ein Ende haben.
Dr. Andreas Philippi (Niedersächsischer Minister für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung)
Bei allen Reformen sowie der Frage, wie wir die Gesundheitsversorgung für Niedersachsen zukunftsfest gestalten können, spielt die Digitalisierung eine entscheidende Rolle. Hier sind alle Bereiche betroffen, von der stationären über die ambulante Versorgung, von den Apotheken, Heil- und Hilfsmittelerbringern bis zur Pflege. Die Digitalisierung bietet die Chance, all diese Bereiche zu vernetzen und Schnittstellen optimal zu nutzen. Schlussendlich ist das ein wahrer Zugewinn für die Patientenversorgung. Denn eine konsequente Digitalisierung ist auch ein wichtiger Beitrag zur Entbürokratisierung und damit ein echter Zeitgewinn für qualitativ hochwertige Behandlung, Therapie und Beratung.
Stefan Spieren (Hausarzt aus Wenden)
Die digitale Transformation ist im Gesundheitswesen ist Gegenwart. Mit dem Digitalen Facharzt- und Gesundheitszentrum (DFGZ) schaffen wir durch gezielten Präsenz und Telemedizin eine effiziente und flächendeckende Versorgung. Ziel ist es, die Patientenbetreuung zu verbessern und gleichzeitig den Praxisalltag zu entlasten. Die Zukunft der Gesundheitsversorgung ist hybrid.
Dr. Kristina Spöhrer (Hausärztin in Winsen an der Luhe und Sprecherin der Bundes-AG Digitalisierung des Deutschen Hausärzteverbands)
Die Erfahrung vieler Kolleginnen und Kollegen in den vergangenen Jahren war, dass die Telematik-Anwendungen in den Praxen mehr Probleme verursacht als gelöst haben. In alles Regel scheiterte es weder am Willen noch an der Idee, sondern allen voran an der schlechten technischen Umsetzung. Das muss besser werden – spätestens zum „ePa für alle“-Start 2025. Wenn das gelingt, dann haben wir die Chance, unser Gesundheitswesen aus der digitalen Steinzeit zu holen.
Dr. Philipp Stachwitz (Leiter Stabsbereich Digitalisierung Kassenärztliche Bundesvereinigung)
Digitalisierung und digitale Vernetzung können und müssen in den nächsten Jahren einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass auch in Zukunft die hohe Qualität der medizinischen Versorgung und ihre Zugänglichkeit für alle Patientinnen und Patienten weiterhin sichergestellt werden können. Entscheidender Erfolgsfaktor ist dabei, ärztliche und psychotherapeutische Perspektiven und Sachverstand aktiv in die Entwicklung einzubringen. Denn nur so können Lösungen entstehen, die im Alltag der Versorgung als Unterstützung und nicht etwa als Belastung erlebt werden.
Dr. Sibylle Steiner (Vorstandsmitglied Kassenärztliche Bundesvereinigung)
KBV und Kassenärztliche Vereinigungen setzen alles daran, eine gute Usability und User Experience bei der Digitalisierung der ambulanten Versorgung durchzusetzen. Ganz im medizinischen Sinne von „vorbeugen ist besser als heilen“, ist es zweifelsohne sinnvoller, von Anfang an die Fachexpertise der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten einzubeziehen und somit Funktionalitäts- und Nutzungsproblemen vorzubeugen. Die Digitalisierung schreitet zwar voran, wird derzeit aber immer noch durch technische Probleme wie häufige TI-Ausfälle behindert. Ziel muss daher weiterhin sein, TI-Ausfälle gänzlich zu vermeiden. Dies ist umso wichtiger, weil eines der größten Digitalisierungsprojekte des deutschen Gesundheitswesens nur wenige Monate vor der geplanten Einführung steht: die ePA für alle. Ab dem kommenden Jahr soll mit der Einführung der ePA zunächst eine Medikationsliste vorliegen und später auch die Arzneimitteltherapiesicherheit digital unterstützt werden. Den großen Mehrwert-Versprechungen müssen jedoch schon sehr bald weitere Inhalte folgen.
Denn eine wichtige Erkenntnis der zurückliegenden Jahre ist: Die Telematikinfrastruktur wird vor allem dann erfolgreich sein, wenn die Praxen durch sie entlastet – und nicht länger durch schlecht funktionierende Software, unzureichende Kostendeckung, politisch gesteuerte Stichtage, Sanktionen und Bußgelder belastet werden. Das gilt auch angesichts der zukünftigen digitalen Entwicklungen, für die KI stellvertretend steht und die wir noch als vielversprechende Werkzeuge der Digitalisierung erwarten dürfen: Die Profis in der Medizin werden auch Profis im Umgang mit diesen Werkzeugen werden. Dabei bleiben ärztliches Handeln, ärztliche Ethik und ärztliche Kontrolle unverzichtbar. Was sich mit Blick auf Vergangenheit und Gegenwart zeigt, wird auch in Zukunft zutreffen: Die Praxen sind immer dann Motor der Digitalisierung, wenn sie erkennbaren Nutzen stiftet und zur Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten beiträgt.
Melanie Wendling (Geschäftsführerin des Bundesverband Gesundheits-IT)
Die digitale Transformation der ambulant-ärztlichen Versorgung birgt großes Potenzial zur Verbesserung der Versorgungsprozesse und der Patientenzufriedenheit.
Sinnvolle und möglichst bei den Anwenderinnen und Anwendern aufwandsarme Anwendungen können nur gelingen, wenn Ärzteschaft, Health-IT-Industrie sowie Patientinnen und Patienten sich austauschen und realistische Erwartungen aneinander haben.