KVN-Vorsitzender Mark Barjenbruch warnt vor den Folgen einer unzureichenden Finanzierung der ambulanten Medizin
„Inflationsverluste für die Praxen sind keine persönliche Misere für die Ärzte. Sie gefährden auf weitere Sicht die Stabilität der ambulanten medizinischen Versorgung. Dieser Aspekt gerät in der aktuellen Debatte um die Ärzteproteste schnell in den Hintergrund“, warnte heute in Hannover der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen, Mark Barjenbruch. Es gehe den niedergelassenen Ärzten nicht um ihr eigenes Einkommen, sondern um die finanzielle Tragfähigkeit ihrer Praxen.
„Bei einer Inflationsrate von zehn Prozent im vergangenen Jahr und immer noch über sechs Prozent in diesem Jahr bedeutet ein Honorarabschluss für 2024 von 3,85 Prozent real einen wirtschaftlichen Verlust für die Praxen. Es ist die Frage, wie lange die Praxisinhaber dies auffangen können“, so der KVN-Chef. Insbesondere bei den Personalkosten läge der Ausgabenanstieg noch höher.
„PraxisKollaps“ bedeute auch nicht gleich massenhafte Schließungen von Praxen. Was drohe, sei eher als „Versorgungskollaps“ auf weitere Sicht zu bezeichnen. Die meisten Niedergelassenen hätten viel in ihre Praxen investiert und wollten und müssten sie am Leben halten. Dies nutze die Politik aus. Doch die Lücken in der medizinischen Versorgung vor Ort spürten die Patienten schon heute. Begonnen habe ein Auszehrungsprozess, der verschiedene Merkmale hat und sich jetzt beschleunigen werde.
„Durch die strukturelle Benachteiligung des ambulanten Sektors werden Nachbesetzungen von Arztsitzen immer schwieriger, die Lücken immer größer“, so Barjenbruchs Fazit. „Folgerichtig verlängern sich die Wartezeiten auf Arzttermine. Parallel dazu wandern viele MFA in besser bezahlte Bereiche ab. Neues Personal ist kaum noch zu finden. Also optimieren viele Ärztinnen und Ärzte ihr Leistungsportfolio und bieten bestimmte Leistungen einfach nicht mehr an, da sie sich wirtschaftlich nicht mehr rentieren. Letztlich sind die Patienten die Leidtragenden, die für bestimmte Behandlungen dann weite Wege und lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssen.“ Diesen „Kollaps“ mancher ärztlicher Leistungsbereiche müssten aktuell viele Eltern bei den Kinderärzten wahrnehmen.
„Der Politik ist gerade schmerzlich bewusst geworden, dass jahrelange Sparmaßnahmen und das Ausbremsen von Investitionen bei der Bundesbahn zu verheerenden Strukturschäden geführt haben. Während dort ein Umdenken eingesetzt hat, schickt sie sich an, jetzt in gleicher Weise die medizinische Versorgung der Menschen herunterzuwirtschaften. Dies zu verhindern ist das Anliegen der Ärzteproteste.“