Pressemitteilung
Kassenärztinnen und Kassenärzte arbeiten wegen Infektwelle am Limit
KVN-Vorsitzender Barjenbruch: Arztzeit wird immer knapper
Eine Infektwelle rollt gerade durch Deutschland. Die Belastungssituation der ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte spitzt sich mit jedem Tag mehr zu. In ländlichen Regionen Niedersachsens gibt es bereits Aufnahmestopps für Neupatienten.
„Wir bitten alle Bürgerinnen und Bürger um Verständnis, dass es in dieser Ausnahmesituation nicht in jedem Fall zeitnahe ärztliche Behandlungen gibt. Die Kassenärztinnen und Kassenärzte arbeiten am Limit. Wer sich krank fühlt sollte sich fragen, ob eine zeitnahe ärztliche Konsultation wirklich notwendig ist. Vorsorgeuntersuchungen können gegebenenfalls aufgeschoben werden“, sagte Mark Barjenbruch, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN), heute in Hannover.
Das Thema Wartezeiten auf Arzttermine ist seit Jahren ein brisantes Thema. Aktuell kommt hinzu, dass mit dem GKV-Finanzierungsstabilisierungsgesetz der Bundestag ab 1. Januar 2023 die Neupatientenregelung abgeschafft hat. „Die Neupatientenregelung war vor drei Jahren mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz eingeführt worden, damit neue Patienten schneller einen Termin bekommen. Es wurde festgelegt, dass die Leistungen für die Behandlung dieser Patienten in voller Höhe vergütet werden. Auf diese Weise wurde ein Anreiz für die durch Budgetierung und hohe Patientenzahlen ohnehin stark belasteten Praxen geschaffen, zusätzlich kurzfristige Termine anzubieten und neue Patienten aufzunehmen. Diese Regelung wurde zum 1. Januar ersatzlos gestrichen“, erklärte der KVN-Vorsitzende.
Darüber hinaus sind zurzeit auch zahlreiche Ärztinnen und Ärzte sowie das Praxispersonal erkrankt. Personalreserven gibt es nicht. „Die Unterfinanzierung von ambulanten Leistungen führt im Endeffekt dazu, dass Stellen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Praxen zunehmend nicht neu besetzt oder gar abgebaut werden. Dies führt zu längeren Wartezeiten“, so Barjenbruch.
Deutliche Kritik äußerte der KVN-Vorsitzende an der Fokussierung der Politiker auf die Reformen im Krankenhausbereich. „Auch der ambulante Bereich braucht Reformen vor dem Hintergrund der enormen Arbeitsbelastung der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte in einem budgetierten System. Die Politik muss sich fragen, wie Patientinnen und Patienten besser gesteuert werden, damit das knapp gewordene Gut ‚Arztstunden‘ denen zugutekommt, die es wirklich benötigen. Vom Land Niedersachsen verlangt die KVN, zusätzliche Studienplätze in der Humanmedizin zu finanzieren. Arztstunden, ja Ärztinnen und Ärzte insgesamt sind knapp geworden.“
Für Barjenbruch ist die Herausforderung für die Zukunft klar: „Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Fachkräftemangels in Praxen, Kliniken und der Kranken- und Altenpflege muss die Versorgung der Patienten effizient organisiert werden. Das gilt erst recht für die knapper werdende Arztzeit. Faktoren wie ein steigender Trend zur Beschäftigung in Anstellungsverhältnissen sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf spielen eine wichtige Rolle. Diese gesellschaftlichen Trends machen auch vor den jungen Medizinerinnen und Medizinern nicht halt. Wir müssen alles gemeinsam dafür tun, ihnen attraktive Rahmenbedingungen zu schaffen. Immer mehr Unternehmen in Deutschland müssen ihre Geschäfte einschränken, weil Fachkräfte fehlen. Ein Grund dafür ist die Coronakrise, ein anderer der demografische Wandel. Dieser Wandel erfasst auch die Ärzteschaft.“